In den letzten Tagen, die ich alleine unterwegs war ist mir aufgefallen, dass ich immer mal wieder ärgerlich und unzufrieden war.

Aber nur wenige Augenblicke, die Situationen haben sich meist schnell wieder aufgelöst. Trotzdem habe ich überlegt, woran das liegen könnte.

Und die Ursache ist ganz offensichtlich:

Sobald alles gut läuft, so wie ich es mir vorstelle, bin ich glücklich und zufrieden. Aber manchmal ticken die Uhren hier auf Sizilien einfach ein bisschen anders, als ich es von zu Hause gewöhnt bin.

Was ist mein „deutscher Kopf“?

Mein deutscher Kopf ist die Stimme in mir, die alles gern ordentlich geplant und organisiert hätte. Sie hat sich jetzt sehr lange zurück gehalten, hat mich ein entspanntes Lotterleben führen lassen.

Aber mit den aktuellen Umständen ist sie nicht immer zufrieden.

Ein Beispiel: vor zwei Tagen waren es tagsüber nur 11 Grad und es hat den ganzen Tag geregnet. Ich wollte mit dem Bus nach Modica, in eine hübsche barocke Kleinstadt fahren.

Es wurde mir von verschiedenen Personen versichert, es sei überhaupt kein Problem mit dem Bus nach Modica zu fahren.

Doch hier auf dem Land gibt es keine Schilder, wo sich die Bushaltestellen befinden („Qui – einfach da“) und es gibt auch nicht immer Fahrpläne, auch online nicht.

Ich warte. Und warte. Und warte. Es regnet noch immer. 45 Minuten später kommt ein Bus, fährt an mir vorbei – ????

Kurz darauf kommt er wieder, nimmt mich diesmal mit. Er kann mich mit nach Scicli nehmen, dort muss ich umsteigen.

Allerdings muss ich wieder über eine Stunde warten. Und dann kommt der Bus auch noch fast 30 min zu spät.

Über dieses Chaos und diese Unzuverlässigkeit ärgert sich mein deutscher Kopf. Er ist das nicht gewöhnt, bei uns sind die Haltestellen ausgeschildert und es gibt Fahrpläne – auch online.

Warum sagen hier einfach alle es wäre kein Problem mit dem Bus nach Modica zu fahren, wenn es so ein riesen Akt ist? Es hat mehr als den halben Tag gedauert in die Stadt zu kommen und zurück muss ich ja auch wieder!

Auf der Busfahrt hatte ich ja einige Zeit zum nachdenken, und ich habe sie genutzt.

Sizilianische Uhren ticken eben anders

Die Einheimischen meinten das nicht böse, dass sie mich einfach so losgeschickt haben. Sie kennen es einfach nicht anders und sind okay damit.

Ihre ganze Mentalität ist einfach ganz anders. Während der Busfahrt singt der Fahrer, er hupt oft – wie ich feststelle meist als Gruß (er scheint hier irgendwie jeden zu kennen und winkt freundlich dazu) oder auch als Signal („Achtung, hinter der Kurve komme ich!“).

Da es wahnsinnig eng ist in den Straßen und viele Leute völlig idiotisch und schief parken, ist es oft schwierig für ihn durchzukommen. Was die Verspätung erklärt, aber er bleibt ruhig und höflich.

Dafür helfen alle umstehenden Passanten mit wenn es mal eng wird und lotsen meinen Fahrer durch – wow, das finde ich echt nett!

Auf den öffentlichen Plätzen sitzen die ganzen alten Herren des Ortes zusammen und unterhalten sich, den ganzen Tag. Auch dieses Gemeinschaftsgefühl finde ich irgendwie süß.

Wenn immer alles schnell und effizient geht, haben wir gar keine Zeit die Dinge um uns herum wahrzunehmen. Dann eilen wir von einem Termin zum nächsten, ohne unsere eigenen Gefühle wahrzunehmen, ohne nach links und rechts zu blicken.

Auf dem Heimweg muss ich an einer Bahnschranke warten. Mein deutscher Kopf wird ungeduldig, da 10 Minuten lang kein Zug kommt. Die Sizilianer bleiben entspannt. Sie steigen aus und unterhalten sich fröhlich.

Warum sich ärgern, wenn man eh nichts an der Situation ändern kann? Stattdessen nutzen sie die Zwangspause für einen netten Plausch. Und auch ich muss lächeln und entspanne mich wieder.

Wenn sich das Herz meldet

Eine ähnliche Situation hatte ich heute morgen, allerdings mit mir alleine. Denn eigentlich wollte ich heute weiterfahren zum nächsten Campingplatz.

Ich bin ja schon seit drei Nächten hier, es gibt nichts Neues zu entdecken. Aber dafür noch jede Menge an anderen Orten auf der Insel! Sagt der deutsche Kopf.

Ganz leise meldet sich eine Stimme in mir: aber hier ist es doch so schön! Können wir nicht einfach noch einen Tag länger bleiben?

Und dann erinnere ich mich daran, was ich mir am Anfang meiner Reise vorgenommen habe: ich will keine Sehenswürdigkeiten abklappern.

Solange es mir wo gefällt, bleibe ich dort. Gefällt es mir nicht mehr, ziehe ich weiter. Wie konnte ich das nur so völlig vergessen? Natürlich kann ich noch einen Tag bleiben, wer bitte sagt ich kann das nicht?

Ach stimmt, der deutsche Kopf. Aber zu dem sage ich: chill mal deine Basis, Alter, wir sind hier im Urlaub! Und die Abmachung war, es locker anzugehen!

Danke, dass du auf uns aufpasst und im rechten Moment hilfst zu planen und zu organisieren, damit wir wieder sicher nach hause kommen. Aber heute hast du Pause!

Und dieses kleine stille Selbstgespräch hat all den Druck, all die Unruhe von mir genommen, die ich seit zwei Tagen verspürt habe.

Herz über Kopf

Manchmal sind wir so mit Denken beschäftigt, dass wir das Fühlen ganz vergessen. Was sagt der Bauch, das Herz? Manchmal ist der Kopf so laut, dass wir das gar nicht mitkriegen.

Hat der Kopf mehr Rechte als Herz oder Bauch? Ich finde nicht. Ich finde, sie ergeben als ausgeglichenes Trio einen guten Wegweiser.

Doch weil wir (Deutschen) es so sehr gewohnt sind auf unseren Kopf zu hören, und dass es für alles ausgeklügelte Pläne gibt, vergessen wir oft den Rest.

Mir fiel es in den oben beschriebenen Situationen schwer, mich mit meinen Ansprüchen zurecht zu finden. Sobald ich aber die Gegebenheiten angenommen hatte, ging alles wie von selbst.

Wieder ein Beispiel: der erste Bus, in den ich stieg, fuhr irgendwann an einem netten kleinen Laden vorbei. Die Sachen im Schaufenster gefielen mir. Ich dachte mir: wenn ich es nicht so eilig hätte, würde ich hier gerne aussteigen und mich ein wenig umsehen.

Zwei Straßen weiter hielt der Bus an, Endstation. Und ich konnte die lange Wartezeit vor dem Umsteigen nutzen und zu dem Geschäft zurück bummeln. Außerdem schenkte mir der singende Busfahrer die Fahrt, was ich ganz arg nett fand!

Es ging mir schon dutzende Male auf der Reise so, dass ich diverse Kleinigkeiten erst irgendwie doof fand. Aber da ich offen blieb und mich nicht hinter meinem Ärger versteckte, haben sich alle Situationen zu wundervollen Momenten entwickelt.

Ich traf tolle Menschen, aß etwas Besonderes oder beobachtete einfach die Leute und wurde oftmals tief berührt von dem, was ich sah.

Und diese kleinen Dinge machen meine Zeit hier auf Sizilien so unvergesslich!

Als ich im Internet vor der Überfahrt „Camping auf Sizilien“ gegoogelt habe, las ich, dass ganz viele Leute hier mit dem Camper überwintern. Ich freute mich auf ein reges Sozialleben hier, aber meist bin ich alleine unterwegs.

Die Generation der Überwinterer scheint auszusterben.

Dennoch will ich hier bleiben. Menschenrummel und Sonne kriege ich auf den Kanaren, wo ich nach Weihnachten hin will, noch genug. Aber jetzt bin ich hier und will das, was ist auf mich wirken lassen.

Und das ist einfach die unermessliche Herzlichkeit der Bewohner und zu lernen, loszulassen. Die Vorstellungen und Erwartungen gehen zu lassen und mich ganz an dem zu erfreuen, was hier ist.

Ein Lächeln, das von Herzen kommt, öffnet einem hier alle Tore!

Und es fühlt sich viel echter, viel lebendiger an all dies zu erspüren als mit einem vollen Terminkalender über die Insel zu hetzen. Ich muss mir nur überlegen was mir wichtig ist und danach handeln.

Und mich immer wieder öffnen. Auch wenn mal was nicht so gut läuft, aufstehen, Krone zurechtrücken und weiter lächeln. Lächeln öffnet mein Herz jedes Mal. Und auch das der anderen Menschen.

Und auch das ist ein bisschen die Magie am alleine reisen, man hat so viel Zeit sich mit sich selbst zu beschäftigen. Man ist weniger abgelenkt, kriegt die eigenen Emotionen viel intensiver mit.

Und anstatt sie wegzuschieben, weil man sie gerade nicht gebrauchen kann, kann man kurz inne halten, ihnen etwas Raum geben und ihrer Botschaft lauschen.

Ich habe das Gefühl, dass mich die Zeit hier meinem eigenen Herzen jeden Tag ein bisschen näher bringt.

Und ich lerne ohne Bewertung damit umzugehen, was die Tage mir so bringen. Da ich schon so oft erlebt habe, dass sich alles innerhalb weniger Augenblicke ändern kann, wenn man es nur zulässt.

Mittlerweile ärgere ich mich nicht darüber, wenn wieder etwas Unvorhergesehenes passiert, denn ich weiß, dass am Ende des Tages alles wunderbar sein wird. Ich vertraue darauf, und wurde noch nie enttäuscht.

Mir fällt auf, dass ich ganz oft „Gott sei Dank“ oder „zum Glück“ sage. Zum Beispiel, als ich heute morgen beim Joggen mein T-Shirt verloren habe.

Das klingt jetzt komisch, aber ich hatte noch ein Tanktop darunter, habe das Shirt weil es heiß war ausgezogen, in meinen Hosenbund gesteckt und irgendwo am Strand verloren.

Auf dem Rückweg fand ich es wieder und mein erster Gedanke „Gott sei Dank ist es noch da!“ fühlte sich irgendwie komisch an. Ich ließ ihn mir nochmal auf der Zunge zergehen.

Dieser Satz implizierte für mich, dass es schlimm gewesen wäre, wenn das Shirt weg gewesen wäre. Aber das wäre es nicht. Daher fühlte es sich viel stimmiger an zu denken „Schön, dass du wieder da bist!“.

Vielleicht nur ein Wortspiel, das aber ein ganz anderes Gefühl in mir auslöst.

 

Vielleicht gelingt es Euch ja auch beim nächsten Mal, wenn Ihr Euch über eine Situation ärgert, zu lächeln und Euch nicht zu verschließen.

Und vielleicht könnt Ihr beobachten, wie sich auch Eure Situation ganz unverhofft noch zu etwas ganz wundervollen entwickelt, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist.

Denn diese Kleinigkeiten machen das Leben aus. Und helfen uns, jeden Tag davon bestmöglich zu genießen.

Denn wie Ihr ja wisst: life is meant to be enjoyed!

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